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Politische Bildung

In Tunesien liegen trotz der insgesamt positiven politischen Entwicklung seit der Revolution wesentliche Defizite in den Bereichen der politischen Bildung und der gesellschaftspolitischen Partizipation von Bürgerinnen und Bürger vor. 

Die regelmäßig niedrige Wahlbeteiligung bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sind ein Indiz für das passive Verhalten der Bevölkerung. 

Eine politische Bildung, die darauf abzielt, das Bewusstsein und das Verhalten der tunesischen Bevölkerung im Sinne einer lebendigen und partizipativen Demokratie zu schulen, ist Voraussetzung für eine nachhaltige Vertrauensbildung in den demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen. Die Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt diesen Prozess durch Aus- und Weiterbildungen sowie Workshops für alle Bevölkerungsgruppen, insbesondere für junge Menschen, Frauen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft.

In Kooperation mit der Vereinigung für Jugendliche ADO+ (Association de l'adolescence) unterstützt die Hanns-Seidel-Stiftung u. a. Aus- und Fortbildungen für Heranwachsende und hat z. B. Wahlbeobachterinnen und -beobachter im Alter von 12 bis 19 Jahren ausgebildet. Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Arab Institute for Democracy (AID), mit dem die Hanns-Seidel-Stiftung Aus- und Fortbildungen für junge Erwachsene (18-35 Jahre) zu grundlegenden Themen der politischen Bildung durchführt.

 

Demokratie und Rechtsstaatlichkeit

Im Bereich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung arbeitet die Hanns-Seidel-Stiftung an Projekten mit Nichtregierungsorganisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Universitäten und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen sowie Ministerien zusammen.

Inhaltlich geht es im Bereich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung um die Förderung politischer Partizipation, demokratischer Handlungskompetenzen und um die Unterstützung von effektiver Regierungsführung.

 

 

Dezentralisierung und Regionalisierung

Die tunesische Verfassung von 2014 hat in ihrem Kapitel VII eine dezentrale Verwaltung- und Regierungsform festgelegt. Die Dezentralisierung zählt aktuell zu den Hauptreformprojekten Tunesiens. Nachdem 2017 das neue Wahlgesetz für die Kommunal- und Regionalwahlen nach mehreren Konsultationen mit Ministerien, Nichtregierungsorganisationen und politischen Parteien verabschiedet worden war, fanden 2018 die ersten freien Kommunalwahlen in Tunesien statt.

Seit Mai 2018 bildet das neue Organgesetz über die lokalen Gebietskörperschaften (Code des Collectivités Locales) den gesetzlichen Rahmen und die Grundlage für die allmähliche Kompetenzübertragung auf die lokale Ebene zur Umsetzung des Dezentralisierungsvorhaben in Tunesien. Die Hanns-Seidel-Stiftung fördert neben der wissenschaftlichen und analytischen Begleitung gesetzlicher Neuerungen vor allem den Austausch zwischen den Kommunen sowie Aus- und Fortbildungen für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kommunalrätinnen und -räte, das lokale Verwaltungspersonal und zivilgesellschaftliche Vereinigungen. 

Auch sind hier die Projektmaßnahmen zur Etablierung von fünf Regionalzentren in Nabeul, Ben Arous, Sidi Bouzid, Le Kef und Sfax zur Stärkung der Netzwerkbildung und der partizipativen Demokratie in Tunesien („CD2“: Centre de Démocratie, Citoyenneté et Developpement) zu nennen. Die Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt den Dezentralisierungsprozess seit seinen Anfängen und wird seinen Partnerorganisationen bei der Umsetzung dieses wichtigen Reformprozesses weiterhin zur Seite stehen.

Justizreform

Seit 2011 kämpft der Justizsektor um seine Unabhängigkeit. In der Verfassung von 2014 hat Tunesien verschiedene Errungenschaften in diesem Bereich verankert, beispielsweise die Einsetzung einer dezentralisierten Justiz und eines Verfassungsgerichts. Die in der jetzigen Verfassung festgeschriebenen Anforderungen in Hinblick auf den Justizsektor verlangen Reformen auf verschiedenen Ebenen: Gesetze müssen an die Anforderungen der neuen Verfassung angepasst, das Justizpersonal in seine neuen Pflichten und Rechte eingearbeitet werden und es müssen Bedingungen geschaffen werden, die eine Umsetzung der Gesetze und Regelungen vor Ort gewährleisten.

In all diesen Bereichen ist die Hanns-Seidel-Stiftung gemeinsam mit ihren Projektpartnern aktiv, um Tunesien auf seinem Reformweg zu unterstützen. Zu den vorrangigen Projektpartnern der Hanns-Seidel-Stiftung im Bereich Justiz zählen Richter- und Anwaltsverbände sowie rechtswissenschaftliche Fakultäten tunesischer Universitäten, mit denen die Hanns-Seidel-Stiftung Fortbildungen für Angehörige des Justizsektors durchführt und die wissenschaftliche Begleitung verschiedener Reformvorhaben durch die Förderung von wissenschaftlichen Tagungen, Aus- und Fortbildungen, Delegationsreisen und Publikationen unterstützt.

Ein konkretes Beispiel: Im Rahmen des Projektes „Demokratischer Übergang und Strukturwandel im Maghreb“ hat die Hanns-Seidel-Stiftung den Prozess zur Reformierung des tunesischen Strafrechts unterstützt, indem sie eine Delegationsreise für die Mitglieder der Kommission zur Überarbeitung des tunesischen Strafrechts (Commission de Révision du Code Pénal) nach München organisiert und durchgeführt hat. Die aus Richterinnen und Richter sowie Expertinnen und Experten bestehende Delegation konnte sich vor Ort über die Rechtsprechung im Strafrecht und Praktiken des Strafvollzugs informieren. Diese Erkenntnisse flossen im Gesetzentwurf zur umfassenden Reform des tunesischen Strafrechts ein, der Anfang 2020 an das zuständige Justizministerium übergeben wurde.